Teşekkür ederim.
Geschrieben von Erk | Abgelegt in Allgemein
Berlin ist eine gar wunderbare Stadt. Sie ist groß, lebendig, abwechslungsreich, schmutzig und vielfältig. Und gerade der letzte Aspekt bereitet mir vermehrt Probleme.
Ich fühle mich zu weilen wahnsinnig unwissend. Es grenzt meiner Meinung nach an eine maßlose Frechheit, gewisse Dinge nicht zu wissen, oder zumindest, sich nicht schlau zu machen, wenn man davon erfahren hat, was einem an Kenntnis mangelt. Man kann das auf das Studium beziehen, wo jeder eigentlich die Gelegenheit nutzen müsste, so viel Wissen in sich aufzunehmen, wie ihm die Lehranstalt nur irgendwie anbieten kann. In der Schule hätte man es ebenso tun sollen, in jedem Fach wach sein und aufpassen.
Das sind natürlich sehr idealisierte Gedanken. Wissensdurst ist den meisten Leuten angeboren, die meisten Erziehungswissenschaftler scheinen sich da einig zu sein, nur die Schule oder wer auch immer, treibt einem das schnell wieder aus. Man erkennt es denke ich daran, wie die Menschen sich mit Dingen, die sie interessieren, für die man sich begeistern kann, derart intensiv beschäftigen, dass es vielen nicht nachvollziehbar scheint. Wenn man zum Beispiel Leuten begegnet, die Platinen selber zu Hause ätzen … mir geht da irgendwie die Faszination abhanden, andererseits verstehen die wenigsten Menschen, was ich an Pflanzen so interessant finde oder warum ich lieber Californication gucke als zu schlafen. Selbst wenn Dinge als Kurzzeithobby auftreten, sagen wir man macht ein Jahr einen Sport mit inniger Begeisterung, verliert dann aber das Interesse, so ist man in dieser Zeit doch mit allem Herzblut voll dabei. Und manchmal scheint es mir dann unverfroren, wenn man sich mit Dingen, die eigentlich sehr wichtig sind um z.B. mit anderen Menschen halbwegs anständig umgehen zu können.
Mich durchzucken immer Schuldgefühle, warum ich nicht längst türkisch gelernt habe, immerhin komme ich aus Berlin, der größten Türkischen Gemeinde außerhalb der Türkei. Oder weil ich kaum etwas über den Islam weiß, auch wenn ich generell kein großer Freund von Religionen bin. Ich fühle mich schlecht, wenn ich nicht weiß und nicht erkenne, ob jemand türkische, syrische oder libanesische Wurzeln hat. Obwohl der Begriff Wurzeln vielleicht schon wieder zu vorurteilsbehaftet ist, zu sehr die große anatolische Familie vor Augen hat, Klischee in einem Wort. Ich finde es schade, dass ich niemanden kenne, der meine Lücken schließen könnte. Ich habe keine türkischen Freunde, ich kannte mal einen Libanesen und mit anderen Kulturkreisen sieht es ähnlich aus. Ich sage nicht, dass man Leute nur wegen ihrer Abstammung befreunden muss, das ist rassistisch – hey, ich bin viel aufgeschlossener als du, weil ich Selim und Koji kenne!
Aber gerade wenn man aus einer Stadt wie Berlin kommt, wo es derartig leicht ist, viel mit zu bekommen, was außerhalb der deutschen Sphäre so liegt, ist es irgendwie verwerflich, dass man sich nicht mehr integriert. Lustig, immer fordern die Deutschen, dass andere sich integrieren sollen, sprachlich und kulturell. Warum spricht in Berliner Behörden kaum jemand Türkisch? Warum trauen sich die Prenzlauer Berger kaum mal nach Kreuzberg, geschweige denn nach Neukölln? Es sind Vorurteile, so milde sie auch sein mögen. Sicher laufen die Dinge in Neukölln etwas anders. Es gibt Straßen, wo keine Deutschen Worte über den Läden prangen. Aber anders heißt doch nicht schlecht. Anders kann einem Angst einflößen … aber gegen Angst kann man immer etwas tun. Und es ist kaum irgendwo im Leben leichter, sich selbst die Angst durch Wissen zu nehmen, wie bei diesem Thema. Es muss nicht einmal Angst sein, vielleicht ist es nur Zurückhaltung. Oder falsch verstandener Respekt, man will nicht in Bereiche eindringen, wo man nix verloren zu haben scheint. Aber das ist nicht gut. Ghettoisierung, Vorurteile, Hass, alles kann man geschwind lindern, wenn man sich besser kennen lernt. Ich empfinde es absolut als Bereicherung, in einer multikulturellen Stadt zu leben. Und ich freue mich, dass das auch für Gießen gilt, auch hier findet man türkische Supermärkte.
Mit schlechtem Gewissen beim türkischen Gemüsehändler einkaufen ist irgendwie nicht hilfreich – es wahrt immer noch zu viel Distanz. Es reicht auch nicht, wenn man ab und zu mal Falafel isst. Versuch, selber welche zu machen und frag deinen Falafelschmied, wie man das am besten macht! Geh in den undefinierbaren Supermarkt und frage nach, ob sie Türken sind. Mir wäre es lieber, man stellt mir einmal eine dumme Frage, als dass man mich immer so unwissend vorsichtig behandelt. Als wenn man die Eltern der Freundin nie direkt anspricht, weil man nicht weiß, ob man sie duzen darf. Dumme Fragen stellen ist generell eine gute Idee, je unangenehmer die Situation ist – scheiße, das müsste ich doch wissen – umso wichtiger, dass man schnell erfährt, was Sache ist!
Es ist außerdem lustig, wenn man wiederum deutsche Vorurteile entkräftet, indem man zum Döner einfach mal einen Ayran ordert. Wenn ich das nächste mal in Berlin bin, werde ich gnadenlos wieder zum Mehringdamm fahren, um einen vegetarischen Döner zu Essen, hole mir Pide in der Potsdamer Straße und wenn ich groß bin, lerne ich Türkisch oder Arabisch!
Inspiriert durch: Hatice Akyün – unbedingt mal googeln