Deutschland den Häschen!
Geschrieben von Erk | Abgelegt in Allgemein
Ich stehe morgens um 2.30 Uhr in einem Krankenhaus und helfe einem alten Mann, sich aufzurichten. Er hat Atembeschwerden, ich stelle mich also hinter ihn und stütze ihn, alleine hat er die Kraft nicht. Das Krankenhaus-Dress ist hinten offen, damit man es auch liegenden Patienten an- und ausziehen kann. Als ich da stehe, sehe ich das Tattoo auf seinem Rücken. In blauer, verblasster Tinte ist da ein Mann abgebildet. Er trägt eine Zipfel-Maske, eine Axt in der einen und einen nicht identifizierbaren, etwa Kopf-großen Gegenstand in der anderen Hand. In schwingenden Lettern steht da „Jedem das seine“.
Ich denke darüber nach, was das für mich bedeutet. Professionell ist es natürlich, ihn genauso zu behandeln, als hätte ich es nie gesehen. Ich weiß nicht, ob er sich bewusst ist, was dieses Tattoo mir oder jemand anderem bedeuten muss. Vielleicht trägt er es mit der gleichen Überzeugung wie jeder 4. Teenager ein zerschlagenes Hakenkreuz am Rucksack hat oder „Good Night, White Pride“-T-Shirts trägt. Jeder fühlt sich im Recht.
Ich frage mich zuweilen, warum Leute so dumm sein müssen. Ich bin gegen Rechte Gewalt, also rufe ich dazu auf, Nazis zu verprügeln? Idioten. Ja, auch die 14-Jährigen, die es nur gut meinen. Wem helfe ich damit, einem Neonazi die Knochen zu brechen?
Natürlich halte ich es für enorm wichtig, dass man sich gegen rechtes Gedankengut behauptet. Aber bitte auf geistiger Ebene, nicht mit geballter Faust. Feuer mit Feuer bekämpfen klappt hier nicht. Macht vielleicht dem einen oder anderen mehr Spaß, aber es gibt einen Grund, warum meine Schwester und ich: „Mir ist langweilig. Wollen wir Glatzen-Klatschen spielen?“ immer mit einem Lächeln quittieren. Weil es scheiße ist. Weil es kurzsichtig ist, weil es schlicht und einfach dumm und, auch wenn das ein schwieriger Begriff für mich ist, weil es würdelos ist.
Ich habe mir in Politische Weltkunde keine Freunde gemacht, als ich Europa für jeden öffnen wollte. Ich habe Nils, den umstrittensten Charakter in unserer Stufe, verteidigt, als er meinte, dass Skinhead sein nichts mit rechts zu tun hat. Meine beste Freundin Frau Knoche konnte das erstens nicht verstehen und zweitens niemals akzeptieren. Natürlich ist es einfacher, sich ein Bild zu machen und dabei zu bleiben. Und natürlich sind die Aufnäher mit den zerboxten Hakenkreuzen sehr hip und trendy. Mit Nazis braucht man nicht reden, weil man die braune Scheiße ja kennt.
Aber das ist genau das Problem, das ich damit habe. Was wird Rechten oft vorgeworfen? Engstirnigkeit, Konservatismus. Also ist der beste Weg, mit dem Problem umzugehen, die Leute zu ignorieren oder zu attackieren, sich nicht damit aus einander zu setzen? Statt drüber nachzudenken einfach „Neonazis sind böse und verdienen es nicht anders“ als Wahrheit zu begreifen?
Ein Freund von mir redet mit Nazis. Er akzeptiert sie, wenn sie intelligent ihren Standpunkt vertreten. Der Gedanke daran beunruhigt mich, aber zumindest kann man ihm eines nicht vorwerfen: Dass er nicht reflektiert. Unreflektiert irgendwelche Scheiße, die einem bequem vorgesetzt wird, von Leuten, von Medien, von der allgemeinen Anschauung, als Wahrheit anzunehmen ist zwar sehr bequem, aber leider auch dumm. Und ein Problem wie dieses löst es nicht. Da hilft auch nicht, dass man vielleicht zufällig auf der richtigen Seite der Dummheit steht. Ob ich Ausländer verprügele, weil ich sie nicht mag, oder ob ich Neonazis verprügele, weil ich sie nicht mag … gibt es da einen Unterschied? Der einzige Unterschied scheint mir zu sein, dass eine Seite von den meisten akzeptiert wird, was es aber nicht rechtfertigt kann. Ein Mensch ist klug, viele Menschen sind dumm.
Wenn ich einen Neonazi sich mit einem Schwarzen prügeln sehe, ich würde instinktiv zu dem Schwarzen halten. Da bin ich nicht stolz drauf, im Gegenteil, denn das ist positiver Rassismus, zumindest haben wir es so in der Schule genannt. Wer sagt mir, dass er nicht angefangen hat? Keiner, aber es scheint erstmal offensichtlich, dass der Neonazi schuld zu sein hat.
Ich weiß nicht, wie ich diesen Eintrag beenden soll. Mit einem lustigen Zitat? Mit einem Aufruf? Vielleicht mit einer Aussage: Wenn man reflektiert, findet man auch das hier lustig, weil es so schlecht gemacht ist. Sollte man gesehen haben. Vielleicht ist Humor immer noch die beste Antwort auf Dummheit, solche oder solche.
Ich wollte es nicht hier einbinden, das scheint mir zuviel der Ehre für diesen Mist.
Hier nochmal für alle, die den Klassiker nicht kennen (zusammengefasst) …